Geschichte 1.März

Die Idee für einen transnationalen Migrant_innenstreik am 1.März geht auf Massenproteste in den USA zurück, deren Höhepunkt der „Tag ohne Migrant_innen“ am 1.Mai 2006 bildete, an dem sich über eine Millionen Menschen beteiligten. Die Proteste richteten sich über Monate hindurch gegen die massiven Verschärfungen der Asyl- und Einwanderungsgesetze – diese führten einerseits zu Illegalisierung und Kriminalisierung von vielen Migrant_innen, andererseits zu drastischen Repressionen gegen Menschen ohne Papiere, die bis heute andauern.

In Europa führten ebenso Verschärfungen der Gesetze – nicht zuletzt im Rahmen der "Harmonisierung der Migrations- und Asylgesetze" in der EU – zu einer lang anhaltenden Protestwelle und zur Organisierung von Aktivist_innen und Migrant_innen. In Frankreich und Italien, aber auch in Spanien und Griechenland, wurde der 1. März 2010 zu einem „Tag ohne uns“ erklärt. Durch den Aufruf, an diesem Tag die Arbeit niederzulegen und einen Konsumboykott durchzuführen, sollte darauf hingewiesen werden, dass Migrant_innen zwar wesentlich zum Funktionieren der Wirtschaft sowie zum sozialen und kulturellen Leben beitragen, ihnen aber gleichzeitig zentrale Rechte vorenthalten werden. Der 1.März sollte an die einige Jahre zuvor an diesem Tag beschlossene Reform des Einwanderungsgesetzes in Frankreich zu erinnern, wodurch ein auf ökonomische Nützlichkeitskriterien basierendes Migrationsregime etabliert wurde – ähnlich wie mit der Einführung der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ in Österreich.

An diesem „Tag ohne uns“ wurden Dutzende Betriebe bestreikt, Zehntausende gingen auf die Strasse und demonstrierten gegen rassistische Diskriminierungen und für gleiche Rechte. 2011 sollen diese Proteste noch ausgeweitet werden. Der 1.März soll sich als antirassistischer Aktionstag etablieren, an dem Migrant_innen als politische Subjekte auftreten und sich gemeinsam gegen die herrschenden Politiken der Ausbeutung und Diskriminierung zur Wehr setzen.

Die Idee, am 1. März 2011 einen Migrant_innenstreik in Österreich zu organisieren und sich damit an den weltweiten Protesten an diesem Tag zu beteiligen, geht auf zwei politische Initiativen zurück, die im Herbst 2010 in Wien aktiv wurden: die Gruppen „Rote Karte Stoppen“ und „Ausschluss Basta!“.

Rote Karte Stoppen

Die Aktionen von „Rote Karte Stoppen“ richteten sich gegen die Pläne für erneute Verschärfungen des Asyl- und Fremdenrechts. Ein wesentliches Element davon war die Einführung der so genannten „Roten Karte“, die Asylwerber_innen in der ersten Woche ihres Zulassungsverfahrens als Statusnachweis ausgehändigt werden sollte. Sie durften in dieser Zeit die Erstaufnahmezentren nicht verlassen, hätte sie die Polizei dabei aufgegriffen, wären sie von verschiedenen Repressalien bedroht, die bis zu Schubhaft reichten. Faktisch bedeutete die geplante „Roten Karte“ also die Internierung von Asylwerber_innen. Menschenrechtliche Bedenken von Jurist_innen sowie massive Proteste gegen verschiedene Abschiebungen in dieser Zeit führten zur vorläufigen Vertagung der Pläne seitens der Regierung. An jenem Tag, an dem der Gesetzesentwurf im Ministerrat besprochen werden sollte, hielt die Gruppe „Rote Karte Stoppen“ zeitgleich eine öffentliche „Alternative Minister_innenratssitzung“ am Ballhausplatz ab. Dabei stellten die Minister_innen – unter anderem für Umverteilung, gegen das Versagen der politischen Eliten, für die Legalisierung von Illegalisierten, für die Schließung von Schubhäfen, Erstaufnahmeeinrichtungen und sonstigen Lagern – ihr Programm für eine antirassistische Flüchtlings- und Migrationspolitik sowie eine antidiskriminatorische Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik vor.

Ausschluss Basta!

Die Gruppe „Ausschluss Basta!“ formierte sich als Reaktion auf den Ausgang der Wiener Gemeinderats- und Landtagswahl sowie als Widerstand gegen die Art und Weise, wie der Erfolg der FPÖ dabei von Politiker_innen, Meinungsmacher_innen und so genannten Expert_innen mit dem Thema Migration in Verbindung gebracht wurde. Die Gruppe verfasste eine von inzwischen über eintausend Menschen unterschriebene Petition, die in der Tageszeitung „Der Standard“ erschien. Darin kritisierte sie die Inszenierung der Migration als Problemfeld in unterschiedlichen Lebensbereichen wie Bildung, Wohnen oder Arbeitsmarkt, anstatt den strukturellen Rassismus als eigentliches Problem anzuerkennen, das heißt die Benachteiligung, Diskriminierung und Entrechtung in eben diesen Lebensbereichen. Entsprechend wandte sich die Petition auch gegen die herrschende Integrationsdebatte: In ihrem Fokus stehen ebenso Migrant_innen als potenzielle Konfliktquelle und nicht die Institutionen bzw. die Mehrheitsgesellschaft und die von ihnen produzierten Ausschlüsse. „Ausschluss Basta!“ ging es im Gegensatz dazu darum, Migration als eine emanzipatorische Bewegung vorzustellen und jene Politiken und Praktiken anzugreifen, die Armut und Rassismus produzieren. Im Rahmen einer anschließenden Veranstaltung, an der zahlreiche Initiativen und Gruppen von Migrant_innen teilnahmen, fand ein reger Austausch über die   Erfahrungen mit der gegenwärtigen Situation in Österreich statt. Dabei wurden auch über verschiedene Aktionsformen diskutiert, unter anderem über die Teilnahme an den transnationalen Protesten am 1.März 2011 in Form eines Streiks von Migrant_innen.

aktionen global

Zu den Aktionen in Frankreich und Italien:

Speziell zu Frankreich:

Speziell zu Italien:

Zur Situation in den USA:

Hier eine Reihe von Überblickartikeln, die sich mit den Arbeitsbedingungen von MigrantInnen in verschiedenen EU-Staaten befassen: